Diskriminierung im Bewerbungsprozess und die Folgen

Es ist selten böse gemeint, aber schadet allen. In klassischen Bewerbungsprozessen findet viel Diskriminierung statt, trotz gesetzlicher Vorschriften. Das liegt nicht unbedingt an den schlechten Absichten der Arbeitgeber, sondern ist in der Regel struktureller Natur. Um das zu ändern, ist es an der Zeit, die eigenen Bewerbungsprozesse zu hinterfragen und neue Wege zu gehen. Davon profitieren nicht nur Bewerber:innen, sondern auch die Unternehmen selbst. 

Stigma im klassischen Bewerben

Ein kurzer Blick auf den Namen, das Geschlecht, die Herkunft oder das Alter genügt in vielen Fällen, um eine Bewerbung auszusortieren: Das zeigen zahlreiche Studien1. Über Diskriminierungserfahrungen im Arbeitsleben wird häufig berichtet, vor allem beim Start in den Job. Das zeigt auch die Befragung im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle von 2017: 

“Von den rund 4.000 geschilderten Diskriminierungserfahrungen aus dem Arbeitsleben betrafen 23,9 Prozent die Phase der Arbeitssuche und Bewerbung.” 

Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Dieser Trend zeichnet sich auch in den Beratungsanfragen der Antidiskriminierungsstelle ab. So betrifft der größte Anteil mit 38% den Zugang zu einer neuen Beschäftigung. Was sind die Ursachen für diesen Beratungsbedarf?

Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Um einzuordnen, welche Eigenschaften Grundlage für Diskriminierung sein können, werden regelmäßig Testing-Studien durchgeführt. Dabei werden im Rahmen von Stellenausschreibungen Lebensläufe fiktiver Bewerber:innen mit identischer Qualifikation, aber verschiedenen anderen Merkmalen (Geschlecht, Name, Religion…) an Arbeitgeber:innen gesendet, um zu prüfen, wie die Lebensläufe bewertet werden. 

“Eine solche Untersuchung aus dem Jahr 2014 zeigt beispielsweise, dass allein die Angabe eines türkischen Namens ausreicht, um die Chance auf ein Vorstellungsgespräch um bis zu 11% zu senken. In einer anderen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung von 2018 wurde deutlich, dass Personaler:innen die Lebensläufe von Frauen im Durchschnitt schlechter bewerten als die Lebensläufe von Männern.”

Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Ein ausländischer Name reicht oft schon, um aussortiert zu werden. 

Menschen werden aus den verschiedensten Gründen im Bewerbungsprozess diskriminiert. Ein Beispiel sind ausländisch klingende Namen. Sie sagen nichts über Kompetenzen aus und trotzdem haben sie einen starken Einfluss darauf, ob man zum Gespräch eingeladen wird oder nicht. Warum?

Menschen werden aufgrund ihres Namens einer bestimmten Gruppe zugeordnet. Eine genaue Erklärung gibt es nicht. Jemanden aufgrund des Namens abzulehnen und so zu diskriminieren, passiert in der Regel aus 2 Gründen: aus persönlicher Präferenz gegenüber bestimmten Menschengruppen oder aus Unwissen bzw. mangelnden Berührungspunkten mit bestimmten Personengruppen. Wo Präferenzen aufhören und Unwissen anfängt, lässt sich nicht klar abgrenzen. Letzten Endes speist sich beides auch aus Stereotypen. Das WZB Berlin kommt zu dem Schluss, dass

“die Diskriminierung gegenüber Bewerbern mit Migrationshintergrund insbesondere dann stark ausfällt, wenn die jeweilige Herkunftsgruppe sich mit Blick auf Werte und Normen stark von Deutschland unterscheidet.” 

WZB Berlin Ethnische Hierarchien in der Bewerberauswahl: Ein Feldexperiment zu den Ursachen von Arbeitsmarktdiskriminierung

Die Lehre daraus ist, dass diffuse Vorannahmen, die wir über bestimmte Personenkreise haben, Entscheidungen im Bewerbungsprozess stark beeinflussen. Dabei geht es nicht darum, mit dem Finger auf Personaler:innen zu zeigen, sondern mit diesem Wissen Prozesse zu verbessern! 

Vielleicht steht dahinter nur der Wunsch, Mitarbeiter:innen zu finden, die gut ins Team passen und man empfindet unterbewusst ein gleiches Wertesystem als gute Grundlage. Aber diese Einordnung basiert eben nicht auf Fakten und steht sogar der eigenen Unternehmensentwicklung im Weg. Darum müssen wir hier aktiv gegenarbeiten und Wege finden, wie wir Menschen gar nicht erst in solche ausgedachten Schubladen packen.

Wer rastet, der rostet

Für uns ist es eine absolute Grundvoraussetzung, Menschen nicht aufgrund von Krankheit, Geschlecht oder Herkunft von Stellen auszuschließen. Wir wissen aber auch, gewachsene Strukturen aufzubrechen und neu zu denken, ist schwer und darum braucht es manchmal etwas mehr Argumente. Wenn wir diskriminierende Strukturen in unseren Bewerbungsverfahren hinnehmen und alles so machen wie gehabt, sieht das Team so aus: 

Ganz trocken ausgedrückt, nicht sehr divers. Es besteht aus Menschen mit sehr ähnlichen Hintergründen und dem gleichen Erfahrungsraum. Aber ist das auf lange Sicht produktiv oder hält es Firmen eher zurück?

Diverse Teams sind erfolgreicher 

Sheree Atcheson ist Global Director of Diversity, Equity & Inclusion bei Peacon und  hat sehr treffend über die Vorteile von diversen Teams geschrieben. Wir fassen das hier nochmal zusammen:

1. Rassismus und Vorurteile direkt bekämpfen

Der größte Vorteil ist der offensichtlichste: Wenn aktiv ein Arbeitsplatz geschaffen wird, der inklusiv und offen ist, wird gleichzeitig Raum geboten, um konstruktive Gespräche zu führen und Vorurteile zu bekämpfen. In erster Linie geht es darum, einen Arbeitsplatz zu schaffen, an dem sich alle wohl fühlen.

2. Mehr zufriedene Mitarbeiter:innen 

Diversität steht für Vielfalt. Es geht darum, jedem Menschen Anerkennung und Wertschätzung zu zeigen. Im Unternehmenskontext führt das zu höherer Mitarbeiterzufriedenheit. Unzufriedene Mitarbeiter:innen kosten die deutsche Wirtschaft jährlich mindestens 80,3 Milliarden Euro durch Fluktuation und Fehltage.

3. Zufriedene Belegschaft bedeutet auch konsistent starke Leistung

Bei Diversität, Chancengerechtigkeit und Inklusion geht es darum, ein Gefühl der Zugehörigkeit im Team zu erzeugen. Ein Bericht von Forrester stellte fest, dass Zugehörigkeitsgefühl am Arbeitsplatz die individuelle Leistung um ganze 56 % steigert.

4. Größere Diversifizierung der Fähigkeiten und der kreativen Energie

Damit ein Unternehmen sich weiterentwickeln kann, braucht es breit aufgestellte Talente. So können Menschen mit  verschiedenen Weltanschauungen und Fähigkeiten aufeinandertreffen und gemeinsam etwas Neues schaffen. 

5. Höhere Innovationskraft

Diese Kreativität führt wiederum zu gesteigerter Innovation. Mit Teams, die aus Menschen mit ähnlichen Perspektiven und Erfahrungswerten bestehen, fördert man eher das eigene auf der Stelle treten. Wenn Firmen mit Innovationen vorangehen möchten, braucht es vielseitige Erfahrungswerte und dazu braucht es ein vielseitiges Team.

6. Globaler Einfluss braucht eine globale Belegschaft

Mit einer internationalen Belegschaft können nicht nur Sprachbarrieren überwunden, sondern auch Einblicke in die verschiedenen Denkweisen von Menschen überall auf dem Globus gewonnen werden. 

7. Besserer Ruf des Unternehmens

Eine tolle Nebenwirkung ist, dass sich schnell herumspricht, wenn Unternehmen konsequent Stellung beziehen. Eine heterogene Belegschaft und Inklusion als fester Bestandteil der Unternehmenspolitik beweisen Haltung.

8. Klare, nachhaltige finanzielle Vorteile

In einer Untersuchung fand Deloitte heraus, dass Unternehmen, die Inklusion praktizieren und in ihre Unternehmenskultur integrieren, doppelt so häufig ihre finanziellen Ziele erreichen oder übertreffen. Darüber hinaus sind ihre Chancen auf bessere Geschäftsergebnisse acht Mal höher — diese Zahlen sprechen für sich.

9. Gekommen, um zu bleiben Niedrigere Fluktuation unter Mitarbeiter:innen 

Der bereits erwähnte Bericht von Forrester fand heraus, dass sich die Mitarbeiterwechsel um 50 % reduzieren lässt, wenn das Zugehörigkeitsgefühl am Arbeitsplatz mit Hilfe inklusiver Praktiken gefördert wird. Je mehr Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, dass ihre Meinung zählt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie im Unternehmen bleiben.

10. Mehr Talente zur Auswahl

Wer bei der Mitarbeitersuche die Kandidaten für eine offene Stelle auf bestimmte Postleitzahlen und Profile beschränkt, begrenzt damit auch automatisch die Entwicklung des eigenen Unternehmens. Zum einen weil der Bewerberkreis zu stark eingegrenzt wird, zum anderen weil viele Menschen sich gar nicht erst bewerben wollen. Es kann auf Bewerber:innen abschreckend wirken, wenn das Team zu homogen ist. 

Wer beim Einstellen nicht auf Inklusion achtet und den relevanten Bewerber:innenkreis beschränkt, beschränkt am Ende nur die eigenen Erfolgschancen. Es ist also mehr als notwendig, dass wir alle regelmäßig hinterfragen, wie wir einstellen und warum. 

Diversität im Team fördern

Es lohnt sich, seine eigenen Bewerbungsprozesse unter die Lupe zu nehmen. Ihre Mitarbeiter:innen werden es Ihnen danken. Darum sagen wir dem Schubladendenken den Kampf an und haben uns sehr bewusst für anonymisiertes Bewerben entschieden. Wir wollen Unternehmen zeigen, dass es unheimlich wertvoll ist, sich frei von Vorannahmen mit Bewerber:innen auseinanderzusetzen. 

Gerade im Tech-Bereich, wo Fachkräfte rar sind, kann es sich niemand leisten, den Bewerber:innenkreis noch künstlich weiter zu verkleinern.  

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1 kurze Liste mit Artikeln & Studien über Diskriminirung beim Bewerben 

2 Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration:  Diskriminierung am Ausbildungsmarkt Ausmaß, Ursachen und Handlungsperspektiven, S.11

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